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Abgeschlossene Dissertationen / Alumni

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Projektkurztitel (alphabetisch)


Anja Becker (Germanistische Mediävistik)

Poetik der wehselrede. Dialogszenen in der mittelhochdeutschen Epik um 1200

In meiner Dissertation untersuche ich Dialogszenen in epischen Texten des Hochmittelalters. Die Analyse konzentriert sich auf erzählende Dichtungen verschiedenster Gattungsprovenienz, die im Zeitraum zwischen 1170 und 1220 entstanden sind. Die Dialoge in diesen Epen werden von der Forschung zumeist als selbstverständliches Element hingenommen und nicht weiter thematisiert. Meine Absicht ist es, ihnen den Anschein von Normalität zu nehmen und ihre irritierende Fremdheit als produktive Herausforderung zu begreifen. Vor dem Hintergrund einer sich gerade erst herausbildenden volkssprachigen Literatur soll zunächst die Frage nach der Gemachtheit von Gesprächsszenen gestellt werden. Es wird nach poetischen Verfahrensweisen gefragt, über die Dialoge konstituiert werden. Darüber hinaus stellt sich die Dissertation dem methodisch-theoretischen Problem der Interpretation vormoderner Literatur. Die zweite Leitfrage lautet: Wie kann man mittelhochdeutsche Dialogszenen ihrem zeit-, kultur- und literaturgeschichtlichen Umfeld angemessen interpretieren, ohne moderne Vorstellungen und Kategorien unreflektiert auf die Texte zu applizieren?

Das epische Gespräch ist deshalb ein ausgezeichneter Untersuchungsgegenstand, weil es über die Literatur in das Anthropologische, das Allgemein-Menschliche hinausweist. Auf der einen Seite ist die Dialogszene ein stilistisches Mittel in den Epen, auf der anderen Seite beschreibt sie eine Grundbefindlichkeit des Menschen, sein Eingebundensein in dialogische Lebenszusammenhänge. Zwischen diesen beiden Polen aufgespannt versucht die Arbeit, Verstehen generierende Zugänge zur mittelhochdeutschen Literatur zu gewinnen.

Förderung im IDK: Dezember 2004 bis November 2006
Einreichung der Dissertation: 6. März 2007
Gutachter: Prof. Dr. Peter Strohschneider;
Prof. Dr. Manfred Eikelmann (Bochum)
Datum der Disputation: 6. Juli 2007
Publikation der Dissertation: Anja Becker: Poetik der "wehselrede". Dialogszenen in der mittelhochdeutschen Epik um 1200. Frankfurt am Main: Lang 2009 (= Mikrokosmos, Bd. 79)
Anschrift: Dr. Anja Becker
Institut für Deutsche Philologie
Ludwig-Maximilians-Universität München
Schellingstraße 3 RG
80799 München
Kontakt: Tel.: +49 (089) 2180 - 2065
Email: beckeaja(at)gmx.de

 

 


Anna Kathrin Bleuler (Germanistische Mediävistik)

Neidharts Sommerlieder. Strukturierung und Differenzierung des Überlieferungsguts auf der Basis des poetologischen Musters

Die vorliegende Arbeit möchte einen Beitrag zur Erforschung der Sommerlieder des späthöfischen Minnesängers Neidhart leisten, indem sie sich um eine Strukturierung und Differenzierung des um-fangreichen Überlieferungsbestands bemüht. Denn wer sich mit den Liedern Neidharts beschäftigen will, dem stellt sich zuallererst die Frage, welches Neidharts Lieder überhaupt sind. Autor und Werk haben sich durch die mündliche und schriftliche Weitergabe des Liedguts entkoppelt; anstelle eines festgefügten, autorisierten Œuvres steht eine komplexe und weit verzweigte Überlieferung, die sowohl auf der Ebene des Einzeltextes als auch auf Werkebene von einer grundsätzlichen Inkongruenz geprägt ist und die einen direkten Zugriff auf das Œuvre des historischen Dichters verwehrt. Die Neidhart-Philologie ist diesem Problem zumeist ausgewichen, indem sie sich auf die ATB-Ausgabe "Die Lieder Neidharts" beruft, deren editorische Leistung zwar zweifellos zu würdigen ist, die jedoch den Prämis-sen eines festen Autor-Werk-Begriffs und damit der Wiederherstellung des Originaltextes verpflichtet ist, wodurch sie ein stark selegiertes, editorisch konstruiertes Œuvre präsentiert, das auf ästhetischen und moralischen Vorstellungen des 19. Jh.s basiert. Überspitzt formuliert, liefern literarische Deutun-gen, die sich auf die Edition beziehen, Interpretationen dessen, was sich die Textphilologie des 19. Jh.s unter Neidharts Werk vorgestellt hat. Spätestens seitdem die Grundsatzdebatte um die Applizierbarkeit der Kategorien Autor und Werk auf die mittelalterliche Handschriftenkultur, die unter dem Schlagwort der New Philology entfacht ist, den Blick für die Überlieferungsproblematik der mittelhochdeutschen Literatur schärft, kann man sich nicht mehr guten Gewissens und mit einer beiläufigen Anmerkung zur Kenntnisnahme der Überlieferungslage auf die ATB-Ausgabe beziehen.

Folgt man dagegen dem Ruf der New Philology, begibt man sich auf das weite Feld der Hand-schriftenüberlieferung, ohne ein Instrumentarium in der Hand zu haben, das es einem ermöglicht, das Liedgut zu differenzieren und zu strukturieren. Denn die Forderungen nach einer Rückbesinnung auf das historische Dokument, die im Extremfall mit einem Plädoyer zur Verabschiedung des Autors für das Mittelalter einhergehen (vgl. Cerquiglini, Éloge de la variante, S. 25), entziehen dem Textphilolo-gen jegliche Parameter zur Klassifizierung von Überlieferungsvarianten. Stattdessen wird eine Gleichwertigkeit der Überlieferungszeugnisse postuliert (vgl. ebd., S. 62), wodurch die prinzipielle Instabilität und Offenheit des mittelalterlichen Textes ins Zentrum rückt und zu seinem konstitutiven Merkmal wird. Die Vertreter der New Philology intendieren nicht die Reduktion der Überlieferungsva-rianz, sondern gerade ihre Erfassung. Programmatische Titel wie Eloge de la variante verdeutlichen dies.

Das Dissertationsprojekt sucht nach einem Zwischenweg zwischen alter und neuer Philologie. Es will sich weder mit dem Postulat einer Gleichrangigkeit der Überlieferungszeugnisse abfinden, noch will es das originale Werk des historischen Dichters Neidhart rekonstruieren, denn dies würde zwangsläufig zu einer mutmaßlichen Scheidung des Liedguts in ‚echt' und ‚unecht' bzw. ‚gut' und ‚verderbt' führen und die leidige Echtheitsdebatte, in der die Neidhart-Philologie erstarrt ist, fortset-zen. Ausgehend von theoretischen Überlegungen zum Verhältnis von mittelalterlichem Autor, Lied-text und Überlieferung wird ein methodischer Ansatz zur Strukturierung und Differenzierung des Ü-berlieferungsguts entwickelt, der der spezifisch vormodernen Verfasstheit der Neidhart'schen Kunst-form und den Dynamiken, denen sie im Überlieferungsgang ausgesetzt ist, Rechnung zu tragen sucht.

Förderung im IDK: Dezember 2004 bis Juli 2006
Einreichung der Dissertation: 21. März 2006
Gutachter: Prof. Dr. Jan-Dirk Müller, Prof. Dr. Susanne Köbele,
Prof. Dr. Hans Unterreitmeier
Datum der Disputation: 24. Juli 2006
Publikation der Dissertation: Anna Kathrin Bleuler: Überlieferungskritik und Poetologie. Strukturierung und Beurteilung der Sommerliedüberlieferung Neidharts auf der Basis des poetologischen Musters. Tübingen: Niemeyer 2008 (= Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters, Bd. 136)
Anschrift: Ass. Prof. Mag. Dr. Anna Kathrin Bleuler
Universität Salzburg
Fachbereich Germanistik
Akademiestrasse 20
5020 Salzburg
Kontakt: Tel.: +43 (662) 6389 4395
Email: AnnaKathrin.Bleuler(at)sbg.ac.at

 

 


Marcus Botschan (Germanistische Mediävistik)

Der bewegliche Text: Spätmittelalterliche Nibelungenlied-Handschriften

Die Gattung der mittelalterlichen Heldenepik ist nicht ohne mündliche Vorläufer denkbar. In der avancierten Forschung besteht Konsens darüber, dass die heroischen Großepen des Hochmittelalters, wiewohl dezidiert schriftliterarisch konzipiert, auf mündlich tradierte Heldenlieder, mithin auf im Wortlaut ‚unfeste’, von Anfang an in Varianten überlieferte Texte zurückgehen.

Aus der Umformung divergenter Vorlagen mündlicher Provenienz zu einem kohärenten Text ergibt sich eine spezifische narrative Faktur der Epen: Das Schriftmedium stellt höhere Anforderungen an die narrative Logizität, die im Schrifttext jederzeit lesend überprüft werden kann. Logische Inkonsistenzen stören hier mehr als im Vortrag. Zudem wirkt das in der Mündlichkeit ökonomische ‚szenische Erzählen’ – die Konzentration auf handlungstragende Einzelszenen unter Verzicht auf nebensächliche Informationen – in der Schriftlichkeit unabgeschlossen.

Diese Phänomene wurden an den hochmittelalterlichen Referenzfassungen des Nibelungenliedes eingehend untersucht. Die späten Handschriften b, k, m und n, wiewohl auf Grund ihrer erheblichen textuellen Varianz zu den Vorlagen besonders interessant, wurden bislang ausgeklammert. Die Dissertation soll dies ändern. Die genannten Texte werden darin vor dem Hintergrund der aktuellen Kritik an traditionellen philologischen Arbeitsbegriffen (‚Fassung’, ‚Bearbeitung’) unter den erwähnten narrativen Aspekten analysiert, insbesondere die Integration neuen Erzählmaterials in die Texte der identifizierbaren Vorlagen. Darüber hinaus werden sie auf Anhaltspunkte für kulturhistorische Überlegungen überprüft: Schlägt sich die doppelte historische Distanz der spätmittelalterlichen Redaktoren zum heroischen Geist der Heldenlieder und zu deren Konzeptualisierung nach Mustern der höfischen Feudalgesellschaft um 1200 nieder (‚Alterität’)? Ist eine Distanz der Erzählhaltung auch zur Historizität (im Sinne von Pseudo-Faktizität) der Gattung erkennbar, d.h: wird Heldendichtung im Spätmittelalter bereits als Fiktion durchschaut (‚Heldenepik als Unterhaltungsliteratur’)?

Schließlich soll die textuelle Varianz der verhandelten Textzeugen auf ihre Funktion hin untersucht werden: Ist sie intentional und konzeptuell integriert, oder ist die uns tradierte Gestalt der Handschriften eher als zufälliges Produkt einer komplizierten Überlieferungsgeschichte zu begreifen?  

 

 


Boris Drenkov (Anglistik)

Gloriana, Cynthia, Oriana and the Phoenix: The Sacred Queen. The Textuality of the Elizabethan cult

From the very first day on the throne of England Elizabeth I became a subject of representation in a variety of media, in which she was depicted as a sacred figure.
Since the appearance of the works of Frances Yates and Roy Strong in the 1970s the deification of the last Tudor monarch is seen as a carefully orchestrated phenomenon, used as a tool for manipulating the English people and the royal court. My dissertation concentrates on the realization of the cult in a literary context. It is my assumption that in its textuality the cult is substantially determined by its pragmatics and through the purposes it serves in Early Modern politics. Furthermore, the textual corpus dedicated to the representation of the monarch reflects the complicated processes and relations among the leading figures of the period. Thus the cult of Elizabeth turns into an interpretative possibility under which the textuality of the analyzed texts unfolds completely.

One of my further aims is to demonstrate the particular textual strategies in the construction and representation of the sacred in the literary texts of the period.  The depiction of Elizabeth as a quasi-divine figure affects many aspects of the textuality in the works that are to be discussed, undergoes a logical and systematic development through the different chronological periods of the Elizabethan reign in order to achieve an influential image of the ‘Holy Queen’ who governed England.

The analysis encompasses a large textual corpus from different periods and lays particular accent on the works of four authors – Sir Walter Ralegh, Ben Jonson, Thomas Morley and Robert Chester. Additionally, the dissertation is going to consider texts by John Lyly, William Shakespeare, Richard Mulcaster and Elizabeth herself. On the base of a detailed textual analysis of the selected works, I would like to show not only the systematicity in the textual representation, but also that the cult of Elizabeth is the dominant interpretative opportunity for the majority of the texts since they can fully unfold their meaning and value only in this particular context.

 

 


Marion Feichtmair (Romanistik)

Diskursanthropologie: Über das Verhältnis von Menschenbild und Literatur im Werk von François Rabelais

Symposiale Poetik – symposiale Anthropologie. Am Beginn der französischen Renaissance entsteht mit Rabelais’ Pantagruel ein Text, der beispielhaft vor Augen führt, dass Anthropologie und Literatur eng miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig bedingen. Das Werk realisiert eine Poetik, die sich auf den Gattungshorizont des Symposion gründet. Zugleich entwirft der Text ein Menschenbild, das auf der rhetorischen Kategorie der festivitas basiert. Allerdings modelliert Rabelais das antike Konzept des Symposion entsprechend den epistemologischen Voraussetzungen seiner Zeit und entwickelt einen Begriff von festivitas, der die Normen ciceronianischer Maßästhetik entgrenzt.

„[Q]ue je eusse maintenant un boucal du meilleur vin que beurent oncques ceulx qui liront ceste histoire tant veridicque.“ „Wollte Gott, ich hätte jetzt eine Buttel vom besten Wein, den jezumal die tranken, die diese höchst wahrhafte Geschichte lesen werden.“ So lautet einer der Ausrufe des Erzählers im Pantagruel, der die Beziehung von Literatur und Anthropologie in Rabelais’ Werk auf charakteristische Weise zum Ausdruck bringt.
Dieses Bild eines fröhlich zechenden Erzählers und Lesers hat dem rabelaisschen Werk nicht selten das Urteil eingebracht, es handle sich bei dessen Darstellungen lediglich um ein heiteres Lesevergnügen, um „[d]es livres simplement plaisans“. Betrachtet man die Texte allerdings vor dem Hintergrund rhetorischer Kategorien der antiken Redelehre, wird deutlich, dass der Pantagruel durchaus über einen tieferen Sinn verfügt.
Der erste Teil der Dissertation analysiert die Poetik des Pantagruel und kommt zu dem Ergebnis, dass der Text, gleich der Gattung des Symposion, wesentlich durch die Merkmale der generischen Hybridität und der Performativität gekennzeichnet ist. Wie das Symposion stets mit Nahrungsaufnahme verbunden ist, zeichnet sich auch der Pantagruel schließlich dadurch aus, dass er der materiellen Seite des Textes einen Eigenwert einräumt. Die Poetik des Pantagruel kann daher als symposiale Narrativik bezeichnet werden.
Im zweiten Teil der Dissertation folgt eine Untersuchung der anthropologischen Dispositive, die Rabelais’ Werk zur Sprache bringt. Auch hier gelangen die Einzelanalysen zu der Feststellung, dass das Menschenbild, welches die Texte vermitteln, vor allem durch die Eigenschaften der Heterogenität, der Reziprozität und der Performativität charakterisiert ist, die ebenso dem Symposion zueigen sind. Zudem zeichnet sich der anthropologische Entwurf des Pantagruel dadurch aus, dass er die Bedürfnisse des Körpers neben denjenigen des Geistes gleichermaßen hochhält und sogar in exzessiver Form befürwortet.

Rabelais’ Pantagruel geht somit von den Neuerungen frühneuzeitlicher Anthropologie aus, die, wie z. B. Pico della Mirandola oder Vives, dem Menschen eine lediglich relative und performative Identität zuschreiben. Vor diesem Hintergrund allgemeiner Relativität und Pluralität greift der Text als Anhaltspunkt auf die rhetorische Kategorie des Symposion zurück und entwirft eine rhetorische Anthropologie. Diese bleibt, im Unterschied zu beispielsweise Castigliones Konzept des perfekten Hofmanns, freilich nicht dem ciceronianischen aptum verpflichtet. Vielmehr verwirklicht sie die Vielfalt und Heterogenität des Daseins in maßloser Form, statt sie unter dem Schein gemäßigter Anmut zu harmonisieren. In Übereinstimmung mit diesem neuen anthropologischen Entwurf gestaltet Rabelais schließlich auch die Poetik seines Werkes als Symposion, welches das aptum der klassischen Rhetorik entgrenzt.

 

Förderung im IDK: Dezember 2004 bis März 2007
Einreichung der Dissertation: 30. April 2007
Gutachter: Prof. Dr. Gerhard Regn,
Prof. Dr. Winfried Wehle (Univ. Eichstätt)
Datum der Disputation: 9. Juli 2007
Publikation der Dissertation: Marion Feichtmair: Le propre de l'homme - Zum Verhältnis von Anthropologie und Literatur in François Rabelais' Pantagruel . München: Meidenbauer 2010.
Anschrift: Dr. Marion Feichtmair
Pedettistraße 6
85072 Eichstätt
Kontakt: Email: mfeichtm(at)gmx.de

 

 


Sebastian Greußlich (Spanische Sprachwissenschaft)

Text, Autor und Wissen in der historiografía indiana (16./17. Jahrhundert)

Im Mittelpunkt des Dissertationsprojektes steht die systematische Beschreibung von Modi der Wissensproduktion im Spannungsfeld von Text, Autor und Institutionen. Die Textbasis, aufgrund derer die Untersuchung durchgeführt werden soll, besteht aus historiographischen Texten, die im Kontext der spanischen Kolonisierung Amerikas anzusiedeln sind. An diesen sollen sprachliche Verfahren der Verarbeitung von Quellen in der Geschichtsschreibung aufgezeigt werden, wobei der Fall der spanischen Kolonialhistoriographie in mehrfacher Hinsicht besonders interessant ist. Am Prozeß der Kolonisierung sind unterschiedlichste Personen und Instanzen beteiligt, die eine Vielfalt an Texten produzieren, welche nicht nur inhaltlich, sondern auch konzeptionell eine erhebliche Varianz aufweisen. Da nun auch Texte mit unterschiedlichstem konzeptionellem Profil als Quellen der sogenannten historiografía oficial Verwendung gefunden haben, deren Aufgabe seit Ende des 16. Jahrhunderts darin besteht, die offiziell verbindliche, sozusagen staatstragende Version der Kolonisierung Amerikas zu fixieren, und die sich dabei selbstverständlich an gültigen Gattungsnormen orientiert, ist es von besonderem Interesse zu untersuchen, in welcher Form die unterschiedlichen Quelltexte sprachlich verarbeitet worden sind. Dabei ist eine Bandbreite vom simplen Plagiat bis hin zu subtilen Manipulationen auf semantischer Ebene oder Sprüngen hinsichtlich syntaktischer Komplexität denkbar. Im Ergebnis soll die Arbeit eine Typik der sprachlichen Verfahren liefern, die hier eine Rolle spielen. Um die Überschaubarkeit des Projektes zu gewährleisten, stehen zwei Autoren der historiografía oficial im Mittelpunkt: Antonio de Herrera y Tordesillas und Antonio de Solís.

 

 


Teresa Maria Gruber (Spanische Sprachwissenschaft)

Mehrsprachigkeit und Sprachbewusstsein im Renaissancehumanismus.
Das Spanische im Reino de Nápoles

Der zentrale Gegenstand meiner Dissertation ist die Untersuchung von Texten, die der spanisch-italienische Kulturkontakt im Reino de Nápoles des 16. Jahrhunderts hervorbrachte. Es besteht die Vermutung, dass sich die äußerst komplexe und bisher wissenschaftlich nur in Ansätzen erforschte Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel begünstigend auf die Pluralisierung der Sprachbetrachtung auswirkte. Eine vergleichende linguistische Analyse signifikanter Textstellen soll darüber Aufschluss geben, ob in diesem Kommunikationsraum ein Zusammenhang zwischen bestimmten Textualitätsformen, der Mehrsprachigkeit und dem spanischen Sprachbewusstsein bestand. Zu diesem Zweck müssen literarische Texte, Sprachlehrwerke und Texttraditionen der Sprachreflexion sprachwissenschaftlich perspektiviert, d.h. diskurstraditionell klassifiziert werden. Damit die Ergebnisse meiner Analyse einer modernen, disziplinübergreifenden Sprachgeschichtsschreibung zugeführt werden können, müssen die historisch relevanten Kontexte berücksichtigt werden, was durch eine textpragmatische, textsortenspezifische und intertextuelle Perspektivierung gewährleistet wird. Mein Projekt ist in zweifacher Hinsicht ein Desiderat der romanistischen Sprachgeschichtsforschung: zum einen, da bisher weder von Seiten der Hispanistik noch der Italianistik die sprachlichen Konstellationen im genannten Kommunikationsraum systematisch untersucht wurden, zum anderen, da eine Methodenreflexion über Mehrsprachigkeit und Sprachbewusstsein als Gegenstände der Sprachgeschichtsschreibung der Textanalyse vorausgehen wird.

Förderung im IDK: 1. Dezember 2006 bis 31. März 2009
Einreichung der Dissertation: 29. April 2011
Gutachter: Prof. Dr. Wulf Oesterreicher, Prof. Dr. Gerhard Regn
Datum der Disputation: 15. August 2011
Anschrift: Dr. des. Teresa Maria Gruber,
Institut für Romanische Philologie,
Ludwigstr. 25, 80539 München
Kontakt: Tel: +49 (0)89 2180-3151
Email: Teresa.Gruber(at)romanistik.uni-muenchen.de

 

 


Regina Höschele (Graezistik)

Poetik und Textualität antiker Epigrammsammlungen

In meiner Dissertation beschäftige ich mich mit dem Phänomen mono- und multiauktorialer Epigrammsammlungen. Dabei stellt sich mir vor allem die Frage, inwiefern das Sinnpotential einzelner Epigramme durch ihre Integration in ein Gedichtbuch oder eine Anthologie erweitert wird und welche Auswirkungen eine lineare Lektüre derselben auf unser Verständnis der Einzeltexte haben kann. Zwar stehen wir hinsichtlich griechischer Epigramme vor dem Problem, dass die Gedichte mehrfach anthologisiert wurden, uns ein Blick auf ihren ursprünglichen Kontext also weitgehend versagt ist, aber es lassen sich noch immer Spuren jener Sammlungen finden, und wir haben gute Gründe dafür anzunehmen, dass bereits hellenistische Dichter kunstvoll arrangierte Epigrammbücher komponierten. Nach allgemeinen Reflexionen über die Textualität von monoauktorialen Sammlungen und multiauktorialen Anthologien wende ich mich der Analyse einzelner (griechischer und lateinischer) Korpora zu, um so anhand mehrerer Beispiele mögliche Funktionsweisen antiker Epigrammsammlungen demonstrieren zu können.

Martial bemerkt in einem seiner Gedichte: "Es ist leicht, ein nettes Epigramm zu schreiben, aber ein Buch zu schreiben, das ist schwer." Warum dem so ist, vor welchen Schwierigkeiten ein Autor steht, der eine große Anzahl von kleinen Texten zu einem trotz aller Heterogenität kohärenten Ganzen kombinieren will, und welche Dynamik durch eine solche Kombination in Gang gesetzt werden kann, all das sind Fragen, denen ich in meiner Dissertation nachgehen möchte.

Förderung im IDK: Dezember 2004 bis November 2006
Einreichung der Dissertation: 30. November 2006
Gutachter: Prof. Dr. Oliver Primavesi, Prof. Dr. Claudia Wiener
Datum der Disputation: 22. Januar 2007
Publikation der Dissertation: Regina Höschele: Die blütenlesende Muse. Poetik und Textualität antiker Epigrammsammlungen. Tübingen: Narr 2010 (= Classica Monacensia, Bd. 37).
Kontakt: regina.hoschele(at)utoronto.ca

 

 


Katharina Kagerer (Lateinische Philologie)

Jacob Balde und die bayerische Historiographie unter Kurfürst Maximilian I. Ein Kommentar zur Ode Silvae 7,15 und zur Interpretatio Somnii

Die einzige historiographische Schrift des Barockdichters Jacob Balde SJ, von 1640-48 unfreiwillig Geschichtsschreiber am Hof Kurfürst Maximilians I. von Bayern, war die heute verschollene Expeditio Donawerdana über die Einnahme Donauwörths (1607). Balde wollte damit erproben, ob er im Spannungsfeld der Interessen von fürstlichem Auftraggeber einerseits und Jesuitenorden andererseits seine Vorstellungen einer der historischen Wahrheit verpflichteten Geschichtsschreibung verwirklichen könne. Als sich das als schwierig erwies, stellte er die Historiographie zugunsten seiner lyrischen Dichtung zurück. Poesie wird schließlich auch zum Medium der Reflexion seiner Erfahrungen als Geschichtsschreiber: Die Ode Somnium (Silvae 7,15) ist jedoch in einem solchen Maße verschlüsselt, dass der Autor selbst sie, allerdings unter einem Pseudonym, in der (nicht zum sofortigen Druck bestimmten) Interpretatio Somnii kommentierte. In formaler Hinsicht ein philologischer Stellenkommentar, bietet diese neben der Aufschlüsselung der allegorischen Bildfolgen, die die Ode durchziehen, Digressionen zu Baldes Vorgängern im Amt des Hofhistoriographen (Markus Welser, Matthäus Rader SJ, Andreas Brunner SJ, Nikolaus Burgundius, Johannes Bisselius SJ) und zu den Entstehungsbedingungen sowie den Aussagemöglichkeiten historiographischer Texte, exemplifiziert an Zitaten aus der Expeditio Donawerdana. Diese Textabschnitte erlauben unter anderem wichtige Rückschlüsse auf Baldes Selbstverständnis als (jesuitischer) Schriftsteller; selten ist uns ein so persönliches Zeugnis eines Dichters der Vormoderne erhalten wie in Baldes Interpretatio Somnii.

Die Dissertation beinhaltet eine kritische Neuedition von Somnium und Interpretatio Somnii einschließlich deutscher Übersetzung und Kommentar. Auf dieser Grundlage wird die ungewöhnliche Textkonstellation aus Baldes allegorischem Gedicht, dem dazugehörigen fiktiv allographen Eigenkommentar und der hierin in Fragmenten greifbaren Historiographie Baldes in inhaltlicher und stilistischer Hinsicht untersucht. Baldes Eigenkommentar verkehrt in gewisser Weise das übliche hierarchische Verhältnis zwischen Text und Kommentar, indem dieser sich hier in seiner spezifischen Textualität vor das Gedicht stellt und ein Stück weit autonom wird. Baldes Art der Kommentierung ist ein eigener Abschnitt der Dissertation gewidmet, ebenso seinen Verschlüsselungsstrategien. Die Untersuchung der sprachlichen Gestaltung des Werks erweist, dass Balde zwar nicht ausschließlich, aber doch sichtbar einem lipsianischen Stilideal verpflichtet ist. Schließlich beleuchtet ein ausführliches Kapitel die Hofhistoriographie unter Kurfürst Maximilian I. und rekonstruiert Baldes Auffassung von Geschichtsschreibung und Historik, um so eine Einordnung in den zeitgenössischen Kontext zu ermöglichen.
Förderung im IDK: Dezember 2006 bis März 2010
Einreichung der Dissertation: 3. Mai 2011
Gutachter: Prof. Dr. Wilfried Stroh, Prof. Dr. Claudia Wiener, Prof. Dr. Alois Schmid
Datum der Disputation: 12. Juli 2011
Anschrift: Dr. des. Katharina Kagerer
Abteilung für Griechische und Lateinische Philologie der LMU München
Geschwister-Scholl-Platz 1
80539 München
Kontakt: Tel.: +49 (089) 2180-6243
Email: kagerer@klassphil.uni-muenchen.de

 


Katharina Kerl (Italienische Philologie)

‚La licenza del fingere‘ – Torquato Tassos Gerusalemme Liberata und das Fiktionsproblem der italienischen Spätrenaissance

Dass Torquato Tassos (1544-1595) prominentes Heldenepos, die Gerusalemme Liberata (ed. 1581, 1584), eine ausnehmend hohe diskursive Komplexität aufweist, die sich in (unauflösbaren) Spannungen im Werk selbst ebenso spiegelt wie in der poetologischen Reflexion des Dichters, kann heute als philologischer Forschungskonsens gelten. In Ablöse biographisierender Ansätze, die in der zwischen storia - finzione, verisimile - meraviglioso, unità - varietà oszillierenden Textkonzeption den (inszenierten) Ausdruck der psychischen Verfassung eines genialen, dem Druck divergierender dichtungstheoretischer, politischer wie religiöser Anforderungen aber nicht standhaltendenden Autors erkennen, suchte man in jüngerer Zeit der Dichte dieses spätrinascimentalen opus magnum mit Blick auf dessen epistemologische Konstitutionsbedingungen beizukommen. Während man die Poesie in Früh- und Hochrenaissance dabei als zentralen Verhandlungsraum einer außer-literarischen Pluralisierung von Welt- und Wahrheitsmodellen identifizierte, stellte man für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts (Gegenreformation) die Restauration von Absolutheitsansprüchen fest, die vermittels ideologisch aktualisierter Grundsätze (Mimesis, Wahrscheinlichkeit, Einheit) einer zeitgleich wieder entdeckten Aristotelischen Poetik auch den literarischen Diskurs erreichten und dort vor dem Hintergrund bereits etablierter, autonomerer Dichtungskonventionen (v.a. dem romanzo cavalleresco) Diskrepanzen generierten.

Daran anknüpfend sieht mein Projekt einen neuen Zugriff auf Tassos Epos vor, welcher als Heuristik für dessen integratives Verständnis die literaturwissenschaftliche Fiktionstheorie bemüht. Im Fokus stehen hier zum einen das Problem der Fiktivität von Dichtung, d.h. möglicher poetischer Abweichungen von vorgegebener ‚Wirklichkeit‘, sowie die Legitimationsstrategien (etwa mittelalterlich-allegorischer, neuplatonischer oder rhetorischer Tradition), die einer als imitatio veri normierten Literatur dennoch Gestaltungsspielräume einräumen; zum anderen das Prinzip der Fiktionalität, verstanden als ‚Vergleichgültigung‘ poetischer Aussagen ggü. Fragen der Wirklichkeitsreferenz, unbenommen ihrer potenziellen Wahrheitsfunktion. Dieses für die Dichtungsapologetik zentrale Prinzip ist in der Poetologie implizit seit Aristoteles virulent und kommt auf metapoetischer Ebene nicht zuletzt im italienischen Ritterroman zu fulminanter Entfaltung.

Meine Arbeit soll untersuchen, wie Tasso – die rinascimentale Fiktionsdebatte gleichsam resümierend – in seinem Werk verschiedene fiktionstheoretische Ansätze miteinander verstrebt und vor allem, wie logisch konsistent sich diese Verstrebungen gestalten. Zielführend ist dabei die Frage, welches unverzichtbare Potenzial Tasso selbst in seinem fiktionalen Schaffen – und nur dort – erkennt und wie er dieses vor dem Hintergrund des hoch-normativen Secondo Cinquecento durchzusetzen versteht.

 

 


Jana Maroszová (Germanistische Frühneuzeitforschung)

Zeit und Eschatologie in Grimmelshausens Simplicianischem Zyklus

Obwohl die „Zeit“ gleich im ersten Satz des Zyklus in den Blickpunkt gerät, wurde diese Kategorie für die Gesamtheit der simplicianischen Schriften des Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen (1621/22-1676) weder explizit thematisiert noch systematisch untersucht. Eher selten und im Rahmen von kürzeren Studien behandelte man sie im Kontext der Eschatologie, des Millenarismus und der frühneuzeitlichen Utopien. Der Hauptgegenstand dieser Arbeit ist die Frage, wie die „Zeit“ in Grimmelshausens Zyklus innerhalb der erzählten Geschichten und der verwendeten Bildlichkeit und Motivik dargestellt wird und wie sie sich zum Kontext des apokalyptischen und utopischen Schrifttums verhält. Der heilsgeschichtliche und eschatologische Aspekt der Zeit soll dabei mit seinen inhaltlichen und strukturellen Implikationen mit einbezogen werden.
Nachgegangen wird insbesondere den folgenden Fragen: Wie spiegeln sich die damals geläufige Zeitwahrnehmung und dann speziell das theologisch fundierte Konzept der Heilsgeschichte in den simplicianischen Schriften genau wider? Wird beides für die Erzählintention funktionalisiert und falls ja, wie? Wenn die Dichtung eine verborgene Theologie ist und wenn der Dichter aufgrund der göttlichen Inspiration sowohl dem Heiligen als auch dem Propheten nahe steht, welche Schlussfolgerungen ergeben sich dann hinsichtlich der Sinnkonstitution der Werke? Verspricht die Untersuchung der „Zeit“ im Zyklus für die Frage der Werkkomposition weitere bedeutende Differenzierungen?

Die „Zeit“ wird in den Büchern des Zyklus möglichst umfassend untersucht. Die Analyse geht von den Grundsätzen der barocken Poetik und Grimmelshausens Dichtungsverständnis aus, berücksichtigt aber gleichzeitig den weiteren historisch-kulturellen Hintergrund und wird auf insgesamt drei Ebenen durchgeführt: Die Texte enthalten erstens explizite Zeitangaben, die Zeit wird in der Rede des Erzählers oder der Figuren thematisiert. Zweitens ist ebenso mit der durch die Hermetik und die biblische Apokalypse inspirierten Bildlichkeit zu rechnen, so dass selbst auf der Motivebene neben den der Initiation bzw. Taufe verpflichteten Bildern das heilsgeschichtliche und eschatologische Moment und die „letzte Zeit“ ins Spiel kommen. Als dritter Untersuchungsbereich gilt die Prophetie mit ihren frühneuzeitlich spezifischen Ausprägungen und Zusammenhängen, da bei Grimmelshausen nur allzu oft explizit, satirisch auf die utopischen und millenaristischen Schriften sowie den Messianismus und den Glauben an den unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang Bezug genommen wird. Da die wissenschaftliche Erforschung der frühneuzeitlichen Apokalyptik, Utopie und des Chiliasmus in den letzten Jahren zahlreiche neue Ergebnisse hervorgebracht hat, stellt sich die Frage, inwiefern sich die aktuellen Erkenntnisse auf die simplicianischen Schriften anwenden und für deren tieferes Verständnis verwerten lassen.

Förderung im IDK: bis 30. September 2011
Einreichung der Dissertation: April 2011
Gutachter: Prof. Dr. Friedrich Vollhardt, Prof. Dr. Jan-Dirk Müller, Prof. Dr. Thomas Borgstedt
Datum der Disputation: 14. Oktober 2011
Anschrift: Dr. des. Jana Maroszová
Karlsuniversität Prag
Kontakt: Email: Maroszova.Jana(at)seznam.cz

 

 


Jan-Steffen Mohr (Germanistische Frühneuzeitforschung)

Epigramm und Fragment im Verbund. Studien zu Kompositionen aus kleinen Textformen in Früher Neuzeit und beginnender Moderne (Daniel Czepko, Angelus Silesius, Friedrich Schlegel, Novalis)

Die im Oktober 2006 fertiggestellte Dissertation behandelt barocke Epigrammzyklen und frühromantische Fragmentsammlungen systematisch als Kompositionen aus kleinen Textformen. Jenseits von literarhistorischen und quer zu gattungsexplikatorischen Grenzziehungen rücken so erstmals Verwendungsweisen und Potential eines Schreibens in den Blick, das neutral am ehesten als Arrangieren zu beschreiben ist (wobei ‚Arrangieren' eine Sammelkategorie für die konzeptgeleitete Anordnung diskreter, in sich abgeschlossener Textelemente bezeichnet und die Extreme vollständiger Durchorganisation des Materials oder aber kontingenter Reihung einschließt).

In keiner Weise wird also eine literarhistorische Entwicklungslinie zwischen den beiden Teilcorpora impliziert. Vielmehr wird mithilfe historischer Kontrastgründe untersucht, wie argumentative Partikularität und Fragmentarizität einerseits, rezeptive Kombinatorik und die Konstruktion eines ‚Gesamtsinns' andererseits, unter verschiedenen poetologischen Vorgaben und diskursiven Konfigurationen zusammenwirken. Die wirkungsästhetisch orientierten Studien argumentieren auf einer ‚mittleren' Ebene zwischen derjenigen individuell-kontingenter Rezeptionszeugnisse einerseits und derjenigen genereller Gattungszuordnungen andererseits; sie fragen konsequent nach den den Texten eingeschriebenen Autor- und Lese(r)konzepten und verorten sie vor dem Hintergrund historisch erwartbarer Lesepraxis und -kompetenz.

Im Zentrum der Untersuchungen stehen einerseits die geistlichen Epigrammzyklen Daniel Czepkos (Sexcenta Monodisticha Sapientum, 1655) und Johannes Schefflers (Cherubinischer Wandersmann, 1657/1675), andererseits verschiedene Fragmentsammlungen Novalis' und Friedrich Schlegels (1798-1802). Auf einer kommunikationstypologischen Ebene lassen sich die beiden Teilcorpora als ‚dialogische Texte' vergleichen: als Texttypen, die darauf angelegt sind, den Leser zu einem kritischen Vergleich eigenen Wissens und eigener (Wissens-, Werte-)Ordnungen mit den Textsemantiken anzuregen.

Das Spezifische der Texte des gebildeten Corpus liegt dabei darin, daß sie zur Semantik des einzelnen Kurztexts ‚mitlaufende Alternativen', Relativierungen, gegenläufige Perspektivierungen etc. schon im textuellen Umfeld bereithalten, ein ‚Dialog' also nicht nur zwischen Text und Leser stattfindet, sondern sich auf textinterne, kotextuelle Beziehungen öffnet. In aufeinander aufbauenden Einzeluntersuchungen werden Bildfelder und Kohärenzphänomene der jeweiligen Sammlungen untersucht, sowie Strategien der Textarrangements, dem Leser bestimmte Wahrnehmungen und Lesemodelle nahezulegen, und an ausgewählten Beispielen in ihnen aufgerufene Diskurstraditionen.

Die Untersuchung soll der Forschung zu Epigrammatik und Aphoristik, insoweit sie gattungstheoretische Fragen behandelt, neue Impulse bieten. Sie richtet sich vor allem gegen ahistorisch an Idealtypen orientierte Gattungsexplikationen, die historische Varianzen als Abweichungsphänomene konzeptualisieren. Dagegen stelle ich in einzelnen historisierenden Studien, deren Ergebnisse dann systematisiert werden, Potentiale des Texttypus ‚Arrangement aus kleinen Textformen' vor und verorte sie vor dem zeitgenössischen literar- und kulturhistorischen Hintergrund. So wird für das barocke Epigramm wie für das frühromantische Fragment erstmals die Komposition bzw. das Arrangement von Texten systematisch auf ihre Einbettung in kulturelle Kontexte und auf ihre spezifische Vermittlungsleistung untersucht.

Ausblicke auf entstehungsgeschichtlich, literarhistorisch und kommunikationstypologisch benachbarte Texte ergänzen und profilieren die Ergebnisse. Unter anderem wird so für die Epigrammzyklen in einer breit angelegten Kontextualisierung ihre Funktionalisierbarkeit im Rahmen frühneuzeitlicher Frömmigkeitspraxis gezeigt. Ein Vergleich des Textorganisationsmodells ‚aphoristisches Schreiben' in aufklärerischer (Ernst Platner: Philosophische Aphorismen) und frühromantischer Tradition erlaubt es, das Moment zu bezeichnen und auf einer textematischen Ebene zu analysieren, an dem die Frühromantik eine funktionale Einbindung aphoristischen Schreibens in nicht-literarische Kommunikationsmodelle aufgibt.

Förderung im IDK: Dezember 2004 bis November 2006
Einreichung der Dissertation: 18. Oktober 2006
Gutachter: Prof. Dr. Wolfgang Harms, Prof. Dr. Susanne Köbele,
Prof. Dr. Friedrich Vollhardt
Datum der Disputation: 1. Februar 2007
Publikation der Dissertation: Jan-Steffen Mohr: Epigramm und Fragment im Verbund. Kompositionen aus kleinen Textformen (D. Czepko, Angelus Silesius, Fr. Schlegel, Novalis). Frankfurt a.M., u.a.: Peter Lang 2007 (= Mikrokosmos. Herausgegeben von Wolfgang Harms und Peter Strohschneider. Bd. 78)
Anschrift: Dr. Jan-Steffen Mohr
Institut für Deutsche Philologie
Ludwig-Maximilians-Universität München
Schellingstraße 3 RG
80799 München
Kontakt: Tel.: +49 (089) 2180-5274
Email: jan.mohr(at)germanistik.uni-muenchen.de

 

 


Isabel Müller (Romanische Philologie)

Wissen und Literatur im Spätmittelalter. Zur Interferenz naturwissenschaftlicher, theologischer und literarischer Diskurse im Werk Ausiàs Marchs

Im ausgehenden Mittelalter erfahren die Strukturen des Wissens einen grundlegenden Wandel. Dieser äußert sich zum einen in einer Vermehrung und Ausdifferenzierung der Wissensbestände, zum anderen in einer Popularisierung des Wissens, welche die bis 1300 weithin geltende Gleichung clericus = litteratus und laicus = illitteratus aufhebt. Die zeitgenössischen literarischen Texte reagieren in unterschiedlicher Weise auf die Pluralisierung der Diskurse und den daraus resultierenden Verlust eines autoritativen Welterklärungsmodells. Mein Dissertationsprojekt verfolgt das Ziel, die poetischen Strategien aufzudecken, mit denen der katalanische Dichter Ausiàs March (1400-1459) die epistemischen Umbrüche seiner Zeit reflektiert und literarisch verarbeitet. Dabei wird zu untersuchen sein, welche Spannungsmomente sich aus dem Nebeneinander heterogener und konkurrierender Wissensbestände für die Lyrik Marchs ergeben. Darüber hinaus ist zu bestimmen, welche Funktion der Rekurs auf zum Teil recht spezifische Wissensdiskurse im Hinblick auf jene sich neu formierende adlige und bürgerliche Oberschicht der Städte erfüllt, die sein Publikum konstituierte (Selbstvergewisserung und Bestätigung in der Rolle der intellektuellen Elite, Aufgreifen zeitgenössischer Debatten und Fragestellungen, etc.). Aus diesem Grund müssen auch die spezifischen Rezeptionsbedingungen seines Werks (Verbreitungsformen von Lyrik, Vortragslyrik vs. Leselyrik, Leseerwartungen und Lesehaltungen eines höfisch-bürgerlichen Publikums, etc.) in die Analyse miteinbezogen werden.

 

 


Cecilia Mussini (Neulateinische Philologie)

Ein anonymer Kommentar in Clm 755: Crinitos Poliziano-Sammlung und die Bedeutung von Ciceros Philippicae im italienischen Humanismus

Ausgangspunkt meines Dissertationsprojektes ist die Beschäftigung mit einem anonymen Kommentar zu Ciceros Philippicae, der im Codex Latinus Monacensis 755 überliefert ist und der Poliziano zugeschrieben wird, obwohl es sich dabei nicht um ein Autograph Ambroginis handelt. Um die Zuschreibung zu überprüfen, lassen sich zwei Wege einschlagen. Erstens ist der Überlieferungskontext des Kommentars zu untersuchen: Clm 755 gehört in eine ganze Gruppe von Miszellanhandschriften der Staatsbibliothek München, in denen Pier Crinito nach Polizianos Tod Schriftstücke des großen Humanisten und seiner Schule zusammengefaßt hat. Insofern sind die Kriterien zu rekonstruieren, die Pier Crinito der Zusammenstellung der Münchner Sammlung zugrundegelegt hat. Um das Material genauer zu typologisieren, muss den Beziehungen zwischen Poliziano und seinen Schülern ebenso wie dem Umlauf von Texten und Materialien in Polizianos Umfeld genauer nachgegangen werden.

Zweitens soll die Rezeption der Philippicae im italienischen Humanismus am Ende des 15. Jahrhunderts untersucht werden, um den anonymen Kommentar besser situieren zu können: Waren die Philippicae Schullektüre? Oder wurden sie als politischer Text über Republik und Machtmissbrauch – Begriffe, die in Florenz am Anfang des 15. Jahrhunderts von zentraler Bedeutung waren – gebraucht? Um hier Aufschluss zu erhalten, soll die Überlieferung der Philippicae in Italien am Ende des 15. Jahrhundert genauer in den Blick genommen werden: Wie viele Handschriften zirkulierten zu dieser Zeit in Italien und lässt sich aus ihrer materiellen Ausstattung auf verschiedene Benutzergruppen schließen (das Spektrum reicht erfahrungsgemäß von traditionellen Schulhandschriften über eine repräsentative Aufmachung für Bibliotheken hochgestellter Persönlichkeiten bis zu typischen Gelehrtenhandschriften)? Darüber hinaus ist die Glossierungs- und Kommentartradition der Philippicae zu berücksichtigen (Petrarca, Salutati, Maturanzio, Pomponio Leto). Vor dem Hintergrund grundsätzlicher Überlegungen zur Bedeutung der Gattung des Kommentars im humanistischen Umfeld können die vorliegenden Manuskripte als Indizien eines eruditen Dialogs gelesen werden.

 

 


Margot Neger (Klassische Philologie)

Textualität und Dichtungstheorie in den Epigrammen Martials: Strategien literarischer Selbstbespiegelung

Das Werk des antiken Epigrammdichters Marcus Valerius Martialis (ca. 38/41 n. Chr. – ca. 104 n. Chr.) stellt innerhalb der uns überlieferten Epigrammdichtung aus dem Altertum eine Besonderheit dar: Anders als im Fall der uns in der Anthologia Graeca und Anthologia Latina erhaltenen Epigramme, deren ursprünglicher Sitz in Gedichtbüchern nur mehr erahnt und teilweise mit mühevollem philologischem Fleiß rekonstruiert werden kann, besitzen wir mit dem Œuvre Martials fünfzehn im Großen und Ganzen vollständige Epigrammbücher. Es handelt sich um den Liber Spectaculorum, die Xenia und Apophoreta, und das corpus der – vom Autor selbst nummerierten - XII Epigrammaton libri, wobei man von Publikationsdaten all dieser Bücher im Zeitraum der Jahre zwischen 80 und 102 n.Chr. ausgeht.

Innerhalb der thematisch vielfältigen, sich vor allem mit Aspekten des römischen Alltagslebens auseinandersetzenden Epigramme, existiert eine beträchtliche Zahl von metapoetischen Gedichten, in denen die sich durch das Werk hindurch inszenierende Sprecher-persona unterschiedliche Reflexionen über produktions- und rezeptionsbezogene Sachverhalte der Dichtung anstellt. Dazu gehören sowohl im innerfiktionalen als auch - vorgeblich - außerfiktionalen Diskurs (in den Prosavorreden zu einzelnen Epigrammbüchern) Aussagen zum Charakter der eigenen Dichtung, zum Verhältnis zu Dichterkollegen, Kritikern und Patronen, zu den mit der Komposition und Publikation von Gedichtbüchern verbundenen Problemen, zur Rolle des Lesers bzw. des bei Rezitationen anwesenden Publikums und zu vielen anderen Aspekten des zeitgenössischen Literaturbetriebs. In der Forschung hat man sich bisher mit Einzelaspekten der metaliterarischen Reflexionen in Martials Dichtung befasst, doch es fehlt eine systematische Gesamtdarstellung, die aufbauend auf einem theoretischen Fundament das Phänomen der Metapoetik in Martials Epigrammpoesie untersucht. In meinem Dissertationsprojekt versuche ich daher, auch mit Hilfe der Erkenntnisse moderner Forschung zum Thema Metaliteratur, Martials Strategien literarischer Selbstbespiegelung zu untersuchen.

Ich gehe von der These aus, dass Martials Epigramme, so wie sie uns vorliegen, für eine Publikation in Buchform für ein breiteres Lesepublikum intendiert waren (dies legen schon die häufigen Reflexionen des Dichters über das Medium Buch nahe), freilich nicht ohne auch die Möglichkeit anderer Formen der Verbreitung innerhalb eines kleineren, dem historischen Autor nahestehenden Leserkreises (Freunde, Patrone, Gönner) in Erwägung zu ziehen. Die Implikationen des Buchkontextes für die Rezeption einzelner Epigramme stellen den Gegenstand jüngerer Studien zur griechischen und römischen Epigrammatik dar, und auf diesen neuen Erkenntnissen aufbauend soll meine Dissertation nun klären, welchen wirkungsästhetischen Effekt metareflexive Passagen bei der Lektüre einzelner Epigrammbücher Martials auf einen antiken Leser erzielt haben könnten.

Im Zuge einiger theoretischer Überlegungen zum Bereich Metaliteratur werde ich diskutieren, inwieweit sich moderne Konzepte auf einen antiken Text anwenden lassen, bevor ich mich dann mit Martials spezieller Form der Metapoetik vor dem Hintergrund anderer lateinischer und griechischer Texte, in denen poetologische Reflexionen auftauchen, befasse. Bei Martial fällt im Rahmen selbstreflexiver Aussagen besonders das Hervorkehren des Materiellen und Konkreten auf, so etwa bei der Thematisierung des Mediums Buch, das häufig in sehr plastischer Art und Weise als Buchrolle oder teilweise auch als Kodex, verbunden mit der Beschreibung technischer Details, imaginiert wird. Der Hauptteil meiner Arbeit widmet sich den nach thematischen Kriterien unterteilten metaliterarischen Äußerungen Martials, wobei immer der Kontext, in dem solche Epigramme stehen, berücksichtigt werden soll. Dazu gehören einerseits Überlegungen der Dichter-persona zu den Problemen der Textgestaltung – z.B. Komposition und Veröffentlichung des Buches, Umfang und Metrum einzelner Epigramme, das Verhältnis zu anderen Epigrammdichtern bzw. anderen Gattungen – und andererseits zu den Problemen der Textrezeption – z.B. durch den allgemeinen Leser, aber auch spezielle Rezipienten wie Freunde, Patrone, den Kaiser, Kritiker, sowie auch das Assoziieren des Rezeptionsvorganges mit der Teilnahme an außerliterarischen Begebenheiten wie Festen, Triumphen und Schauspielen.

Mit Hilfe einer derartigen umfassenden Studie zu Martials poetologischen Aussagen und Strategien der literarischen Selbstbespiegelung hoffe ich, neue Erkenntnisse zur Textualität und Konzeption seiner Epigrammbücher gewinnen zu können.

Förderung im IDK: 1. Juli 2007 bis 31. August 2008
Einreichung der Dissertation: 14. April 2011
Gutachter: Prof. Dr. Niklas Holzberg, Prof. Dr. Claudia Wiener,
Prof. Dr. Martin Hose
Datum der Disputation: 13. Juli 2011
Anschrift: Dr. des. Margot Neger,
Abteilung für Griechische und Lateinische Philologie der LMU München
Schellingstr. 3, 80799 München
Kontakt: Tel: +49 (0)89 2180-3597
Email: margotneger(at)aol.de

 

 


André Otto (Anglistik)

Undertakings. Fluchtlinien der Exklusivierung in John Donnes Liebeslyrik

Ab der zweiten Hälfte des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts wird in England eine neue Diskussion über den Status der Dichtung geführt, die sich in verschiedensten Traktaten manifestiert. Einer der entscheidenden Faktoren innerhalb dieser institutionellen Neubestimmung ist die mediale Verschiebung von handschriftlicher Verbreitung zu Druckveröffentlichung, die im Kreise aristokratisch geprägter coteries größtenteils als Bedrohung empfunden wurde, da Lyrik kommunikative Fähigkeiten und Techniken transportiert, die ein Zugangskriterium zu eben jenen Kreisen bilden. Ausgangspunkt der Dissertation ist die Vermutung, dass sich diese sozialen und medialen Bedingungen auf die Strukturen innerhalb der Dichtung niederschlagen - gerade auch auf Grund verstärkter Reflexion darüber, was Poesie leistet. Anders als bei den elisabethanischen Sonettisten, die stark der petrarkistischen Tradition verschrieben sind, gibt es bei John Donne jedoch kaum Gedichte, die explizit metapoetisch sind. Seine Sprecher in den Songs and Sonnets sind nie Dichter, sondern stets Liebende und/oder Verführer. Will man Probleme der Textualität und der Etablierung eines literarischen Diskurses im Prozess der sich ändernden Verbreitungsform der Lyrik von handschriftlicher Zirkulation zu Druckveröffentlichung beobachten, muss man also an anderer Stelle suchen. Meine umfassende These ist, dass metapoetische Fragestellungen bei Donne allgemeiner innerhalb metakommunikativer Probleme behandelt werden und zwar im Modus einer Sprache der Liebe und Verführung, die stark von Paradoxien geprägt ist. Diese Paradoxien beziehen sich hauptsächlich auf Strukturen exklusiver Kommunikation, die einen intimen, privaten Raum zu konstruieren suchen. Über den Ansatzpunkt eines sich in der Zeit neu etablierenden Privatheitsverständnisses kann man in den Gedichten sowohl thematisch als auch insbesondere strukturell verschiedene Ebenen beobachten, die sich grob nach Fragen der Wahrnehmung und mithin des Sichtbaren oder dessen, was sichtbar gemacht werden darf und soll, nach den Paradoxien geheimer bzw. exklusiver Kommunikation und schließlich der Verbindung solcher Kommunikation mit literarischer Tradierung und den Versuchen der Rezeptionslenkung sowie dem Imaginieren einer eigenen Rezeptionsgeschichte gliedern lassen.

Förderung im IDK: 1. November 2004 bis 31. August 2007
Einreichung der Dissertation: 12. Oktober 2010
Gutachter: Prof. Dr. Andreas Höfele, Prof. Dr. Andreas Mahler, Prof. Dr. Horst Weich
Datum der Disputation: 7. Februar 2011
Anschrift: Dr. des. André Otto
Institut für Romanische Philologie,
Ludwigstr. 25, 80539 München
Kontakt: Tel: +49 (0)89 2180-3150
Email: andre.otto(at)romanistik.uni-muenchen.de

 

 


Dirk Rose (Germanistische Frühneuzeitforschung)

Conduite und Text. Paradigmen eines galanten Literaturmodells am Beispiel Christian Friedrich Hunolds (Menantes)

Die Arbeit beschäftigt sich mit der galanten Literatur anhand der exemplarischen Figur Christian Friedrich Hunolds alias Menantes (1680-1721). Dabei wird auf der Gegenstandebene erstmals das komplette Werk Hunolds, das von Romanen über Opern bis zu juristischen Schriften, von Kantatentexten über Brieflehren bis zu Fabelübersetzungen reicht, systematisch aufgearbeitet und durch den Einbezug einer reichhaltigen zeitgenössischen Quellenbasis auch in seinen Kontexten erschlossen. Die Arbeit kann darum gleichfalls den Anspruch einer Werkmonographie für Hunold erheben, die bisher noch nicht vorliegt.

Auf der systematischen Ebene wird am Beispiel Hunolds die Spezifik eines galanten Literaturmodells herausgearbeitet. Dabei wird ausdrücklich eine Abgrenzung gegenüber älteren, epochegeleiteten Forschungspositionen vorgenommen, die die galante Literatur wahlweise als »Spätbarock« oder »Frühaufklärung« klassifiziert haben. Dem wird hier eine Alternative entgegengestellt, die vor allem nach der spezifischen Funktion galanter Literatur und einer entsprechenden Textpragmatik fragt. Dabei spielt der modellbildende Charakter der galanten Textproduktion für ein galantes Interaktions- und Kommunikationsmodell eine entscheidende Rolle.

Es eröffnet sich eine historisch-systematische Perspektive, die die Anschließbarkeit der Arbeitsergebnisse an modernisierungstheoretische Überlegungen beim Übergang von der Vormoderne zur Moderne herzustellen vermag, und in denen die Epochenproblematik dann höchstens noch von sekundärer Bedeutung ist. Vor allem wird nach den Potentialen einer  spezifisch vormodernen Textualität galanter Literatur für die Genese eines modernen Literaturmodells gefragt – bestimmt wird, welche historische Position der galanten Literatur in diesem systematischen Begründungszusammenhang dann zukommt. 

Förderung im IDK: Dezember 2004 bis März 2007
Einreichung der Dissertation: 5. April 2007
Gutachter: Prof. Dr. Friedrich Vollhardt,
Prof. Dr. Dirk Niefanger (Erlangen-Nürnberg)
Datum der Disputation: 6. Juli 2007
Anschrift: Dr. des. Dirk Rose
Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Am Hof 1d
53113 Bonn
Kontakt: Email: drose(at)uni-bonn.de

 

 

 

Außerhalb des IDK weiterbetreute Dissertationen

 


Jennifer Rudin (Germanistische Mediävistik)

Erziehungsschriften im deutschen Mittelalter

Das Dissertationsprojekt konzentriert sich auf mittelhochdeutsche Erziehungsschriften. Darunter sind unter anderem der Winsbecke und die Winsbeckin, der Tannhäuser, Von der hoff zucht eyn gut ler oder der Wälsche Gast zu zählen. Man kann diese Texte unter Gebrauchsliteratur fassen, da ihr „erklärter Zweck in der Vermittlung von Wahrheit und Wissen besteht“ (J.-D. Müller: „Gebrauchsliteratur“, HWbRh) und sie „der Sache [dienen], von der sie handeln“ (Belke: „Literarische Gebrauchsformen“).  Andererseits zeichnen sie sich gegenüber üblichen Gebrauchstexten aber „durch einen höheren Grad sprachlich-rhetorischer Organisation“ aus (Müller, ebd.). In diesem Sinn soll der „Lehrauftrag“ der Erziehungstexte befragt werden. Zum einen werden die Lehrgespräche hinsichtlich der medialen Spezifik eines in Versen verfassten Dialoges unter Bezug auf ihre didaktische Aufbereitung von Wissensstoff untersucht, zum anderen im Hinblick auf die dabei zum Ausdruck kommende Konstruktion schriftlicher Autorschaft und ihre möglichen poetologischen Implikationen. Vers und Reim sowie die schriftlich fixierte Dialogform stellen dabei Merkmale ‚konzeptioneller Mündlichkeit’ (Koch/Oesterreicher) im Rahmen medialer Schriftlichkeit dar. Mit dieser doppelten Performanz von Sprache im Kontext einer mediengeschichtlichen Übergangssituation wird sich die vorgestellte Arbeit auseinandersetzen.

Förderung im IDK: April 2005 bis November 2006
Aktuelle Betreuung der Dissertation: Prof. Dr. Rüdiger Schnell, Universität Basel
Kontakt: jenniferrudin(at)gmx.ch

 

 


Maren Stolte (Germanistische Mediävistik)

Driu liet von der maget: Medientextur. Die Lesbarkeit der Sinnschichten bebilderter mittelalterlicher Handschriften in ihrer medialen Bedingtheit

Den Driu liet von der maget des Priesters Wernher, eine im frühen XIII. Jahrhundert entstandene und sehr reich bebilderte Marienleben-Handschrift aus dem süddeutschen Raum, wurde bisher in der mediävistischen Forschung nur wenig Beachtung geschenkt. Ich möchte mit meiner Arbeit einen Zugang zu dieser Handschrift erschließen, der im Sinne der New Philology an der materialen und medialen Gegebenheit der Handschrift ansetzt. Die gleichberechtigte Folge von Schrift und Bild, wie wir sie in der Marienleben-Handschrift vorfinden, bei der die meisten Bilder in voller Breite des Schriftspiegels in die einzelnen Erzählepisoden eingelassen sind, legt nicht nur diesen Ansatz nahe, sondern qualifiziert diese Handschrift auch als einen herausragenden Untersuchungsgegenstand der mittelalterlichen Literatur.

Meine Arbeit gliedert sich dabei in mehrere Themenblöcke:

1. Schrifttext und Bildtext in medialer Verschränkung: Hier gehe ich der Frage nach, welche Konsequenzen sich aus der engen Verzahnung von Schrift- und Bildmedium ergeben, wie sie in der Marienleben-Handschrift vorliegt. Die Fragestellung konzentriert sich sowohl auf die Vorgänge, die im Produktionsprozess nötig sind, als auch auf die, die im Leseprozess entstehen. Außerdem beschäftige ich mich mit der besonderen Rolle der Spruchbänder als Schrift-im-Bild-Medien.

2. Schriftinhalte und Bildinhalte: Was wird in welchem Medium gesagt beziehungsweise gezeigt und in welchem verschwiegen? Und: Wie wird Sagen und Schweigen innerhalb des Erzählten selbst wieder dargestellt und kenntlich gemacht? Zwischen den Oppositionen Sagen/Zeigen versus Verschweigen/Nicht-Zeigen steht die Thematik des Verhüllens beziehungsweise Andeutens. Ich untersuche hier, welche Strategien zwischen Zeigen und Nicht-Zeigen, also zwischen Anwesenheit und Abwesenheit in den Medien Schrift und Bild der Marienlebenhandschrift sowie ihrer Kombination zutage treten.

3. Raum- und Zeitkonzeption: Durch die mediale Anlage der Marienlebenhandschrift wird eine eigentümliche Zeit- und Raumkonzeption evoziert, die ich in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit erläutere. Raum, Zeit und Ewigkeit sind aber auch auf inhaltlicher Ebene des Textes ein zentrales Thema, das sich von der medialen Verfasstheit nicht trennen lässt. Daneben existiert drittens die Orientierung der Textstruktur am katholischen Kirchenjahr mit seinen Feiertagen, die die Handschrift an eine außertextuelle Zeitlichkeit bindet.

4. Struktur und Ordnung: Die Marienleben-Handschrift erscheint schon auf den ersten Blick als hochstrukturiertes Gebilde einer vielschichtig angelegten Medienkombination aus Schrift und Bild. Die Bestandteile des Textes bilden dabei eine hierarchische Ordnung. Diese zeige ich in meiner Arbeit auf und setze sie in Relation zu anderen Ordnungen, mit denen der Text selbst befasst ist: Das ist zum Einen die Ordnung der kirchlichen beziehungsweise göttlichen Texte, in deren Tradition sich der Marienleben-Text einschreibt, die er aber zum Teil auch gleich mit dem Aufruf zur Vervielfältigung seiner selbst aufbricht. Zum Anderen ist es die Ordnung der Welt und der in ihr lebenden Menschheit. Die zentrale Frage dabei ist, wie Ordnung hergestellt beziehungsweise durchbrochen wird. In Relation dazu betrachte ich die Funktion des Ritus und der Magie als Ordnung herstellende Praktiken.

Zwischen den Themenblöcken der Raum- und Zeitkonzeption (3.), der Struktur und Ordnung (4.), sowie der Medienverschränkung (1.) steht die Thematik der Grenze und des Übergangs. Sowohl auf medialer wie auch auf inhaltlicher Ebene ist dies in der Marienleben-Handschrift relevant. Die Bilder sind von Rahmen begrenzt und setzen sich damit vom Schriftspiegel ab. Allerdings werden die Rahmen vielfach von Bildgegenständen durchbrochen und so ihrer Abgrenzungsfunktion zumindest teilweise wieder beraubt. Eine ähnliche Struktur mitsamt ihrer sofortigen Durchbrechung findet man auch in der Gliederung der Handschrift in drei Lieder mit eigenem Anfang und Ende, die sich in einzelne Erzählepisoden unterteilen, welche wiederum jeweils eine geschlossene Einheit bilden. Durch Vor- und Rückgriffe in der Erzählung werden aber auch diese miteinander verzahnt. Schließlich geht es auch auf textinhaltlicher Ebene um die Grenze zwischen Heiligem und Weltlichem, sowie um deren Überschreitung.

5. Körperlichkeit und Gestik - die Darstellungsweisen des Menschlichen und des Göttlichen in ihren Beziehungen: Hier geht es mir darum, aufzuzeigen, wie die Beschreibung und Darstellung menschlicher und himmlischer Körper und Handlungen in der Marienleben-Handschrift im historischen Kontext der mittelalterlichen Kultur zu verstehen sind. Dabei wird ihre Relation zueinander, zum Rezipienten, und der präexistenten Heilsgeschichte betrachtet.

Anhand dieser Themenblöcke möchte ich einen strukturell orientierten Zugang zur Marienleben-Handschrift eröffnen. Mich interessiert dabei vor allem die Frage nach der Art und Weise der Überstrukturiertheit der Marienleben-Handschrift im Speziellen, sowie generell mittelalterlicher Handschriften im Allgemeinen. Nicht zuletzt sollen aber auch die Produktions- und Rezeptionsmodi dieser Handschriften als genuin mittelalterliche Kulturtechniken beleuchtet werden.

Förderung im IDK: Dezember 2004 bis November 2006
Aktuelle Betreuung der Dissertation: Prof. Dr. Ursula Peters, Universität zu Köln
Kontakt: marenstolte(at)gmx.net

 

 

verantwortlich für den Seiteninhalt: Thomas Borgstedt
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